Am vergangenen Mittwoch hat meine vierte Dialogveranstaltung zum Thema „Mobilität in Heidelberg“ im Dezernat 16 stattgefunden. Ich selbst habe einen Impulsvortrag beigesteuert, aber dann kamen vor allem meine Podiumsgäste zur Sprache, die vom ungehobenen Potenzial Heidelbergs erzählt haben.
Eine Zusammenfassung:
Dominic Egger plädierte dafür, die Verkehrsplanung daran auszurichten, was die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen brauchen. Mit Kindern in Heidelberg unterwegs zu sein, sei ein permanenter Stress, da der öffentliche Raum noch an zu vielen Orten auf den Autoverkehr hin optimiert sei. Er beschrieb dabei einen Teufelskreis: gerade in der Phase der Familiengründung, in der häufig auch erstmals über die Anschaffung eines eigenen Autos nachgedacht wird, spielt das Thema Sicherheit im Verkehr eine zentrale Rolle für Entscheidungen, die getroffen werden. Wenn die Rahmenbedingungen aber so sind, dass Eltern es als unsicher erleben, mit ihren Kindern auf dem Rad unterwegs zu sein, macht das das eigene Auto attraktiver – so dass wieder mehr Autos dazukommen, obwohl es eigentlich weniger werden sollten.
Er zeigte sich daher auch zwiegespalten bezüglich Theresia Bauers Vorschlag, mit der Einrichtung von Quartiersgaragen mehr autofreie Bereiche in den Stadtteilzentren zu ermöglichen. Dies sei einerseits gut, wenn dadurch weniger vom Autoverkehr belastetet Bereiche entstünden. Es gelte aber auch die Regel: „Wer Autoinfrastruktur baut, wird mehr Autos bekommen.“ Zumindest sollte bei Investitionen in solche Infrastruktur sehr genau darauf geachtet werden, dass die Kosten dafür nicht bei der Allgemeinheit hängenbleiben.
Zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure wie dem Radentscheid betonte er, dass es eigentlich besser wäre, wenn zukunftsfähige Verkehrspolitik auch ohne Aktivist*innen funktionieren und von den Fachleuten in Politik und Verwaltung vorangetrieben würde. Aber, so Dominic Egger: „Ohne Druck auf der Straße passiert in Heidelberg gar nichts!“ Deshalb werde der Radentscheid auch weiterhin darauf drängen, dass klare verkehrspolitische Ziele und ein überprüfbarer Plan zu deren schrittweisen Umsetzung formuliert werden. Dafür müssten Ressourcen eingeplant und Organisationsstrukturen etabliert werden. Und Dominic Egger versprach: auch ein*e zukünftige*r Oberbürgermeister*in wird auf den visionären Geist und die kritische Prüfung des Umsetzungsstands durch den Radentscheid setzen können.
Miriam Caroli machte deutlich, dass die heutige Verkehrslage in den Städten die Folge einer seit 70 Jahren andauernden falschen Prioritätensetzung in der Verkehrspolitik ist. In Heidelberg gebe es 400 PKW je 1000 Einwohner*innen – für den Stadtraum verträglich wäre allerdings maximal ein Verhältnis von 150 zu 1000. Carsharing könne zwar einen Beitrag leisten, den Gesamtbestand an Fahrzeugen zu reduzieren, dafür sei aber ein langer Atem erforderlich. Denn einmal angeschaffte Autos werden auch mindestens 10 Jahre genutzt – und einmal produzierte Autos schnell zu verschrotten wäre im Übrigen ebenfalls nicht nachhaltig. Wichtig sei es daher, den Autoverkehr Schritt für Schritt zu entprivilegieren und Rahmenbedingungen zu schaffen, die eher Radfahrende und Fußgänger*innen begünstigen als Autos. Dabei sei die kommunale Ebene wichtig – aber auch der Bund sei in der Pflicht. Im Verkehrsbereich bestünden noch immer 30 Mrd. € an umweltschädlichen Subventionen, die dringend abgeschafft gehörten.
Miriam Caroli wies außerdem daraufhin, dass abgesehen von finanziellen Anreize auch im Umgang mit gemeinwohlorientierten Anbietern wie Stadtmobil einiges getan werden könnte, um zur Mobilitätswende beizutragen. Z.B. wäre es hilfreich, den Carsharing-E-Autos exklusive Ladepunkte anzubieten – auch wenn sich das nicht wirtschaftlich rechne, entstehe doch dadurch eine gesellschaftliche Rendite, weil Carsharing und E-Mobilität dadurch wieder ein Stück attraktiver würden. Auch mehr Unterstützung bei der Ausweisung von Stellplätzen für Carsharing-Autos könnte eine Maßnahme sein, die wenig Kosten verursacht, aber mithilft, die Attraktivität des Angebots zu erhöhen – und damit die Chance, dass Menschen sich entscheiden, zugunsten des Carsharings aufs eigene Auto zu verzichten.
Dieter Teufel machte deutlich, dass Theresia Bauer den aus seiner Sicht wichtigsten Punkt für eine progressive Verkehrspolitik verstanden habe: dass bereits beschlossene sinnvolle Maßnahmen auch in die Umsetzung gebracht werden müssen. Er verwies dabei auch auf die Studie des IFEU-Instituts, wonach das Umsetzungstempo im Klimaschutz sich versechsfachen müsse, wenn Heidelberg seine Klimaschutzziele einhalten wolle. Im Verkehrsbereich sei sogar eine Verachtfachung der Geschwindigkeit erforderlich. Zum Beispiel seien im Bereich des Radverkehrs bereits 350 Maßnahmen beschlossen, von denen die meisten aber zu lange auf die Umsetzung warten. Um daran etwas zu ändern, brauche es eine bessere Organisation innerhalb der Verwaltung, vor allem aber auch mehr Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ämtern.
Auch Dieter Teufel betonte das Problem der historisch gewachsenen Privilegierung des Autos gegenüber anderen Verkehrsmitteln. Denn nicht nur auf den Straßen nehme das Auto den größten Raum ein – auch was finanzielle Mittel, Arbeitskapazitäten oder auch nur Grünzeiten an Ampeln angehe, sei das Auto klar bevorzugt. Um daran etwas zu ändern sei ein tiefgreifender Veränderungsprozess innerhalb der Verwaltung erforderlich, der auf Führung und Rückhalt von der Stadtspitze angewiesen sei. Dies sei allerdings derzeit nicht gegeben.
Kritisch äußerte sich Dieter Teufel zum im Gemeinderat gerade diskutierten 3-Euro-Ticket für Jugendliche. Dieses würde vor allem zu einem Umstieg vom Fahrrad auf den ÖPNV führen, für den Klimaschutz also keine Vorteile bringen, dafür aber die Bahnen füllen und damit unattraktiver für diejenigen machen, die eigentlich für den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV begeistert werden sollen. Außerdem fehle das dafür investierte Geld für dringend erforderlich Investitionen in den Ausbau des ÖPNV, um diesen gerade für Pendler*innen zu einer echten Alternative zum Auto zu machen. Immerhin, so Dieter Teufel, sei der aktuell diskutierte Entwurf nicht ganz so schädlich wie der ursprüngliche Vorschlag von OB Würzner, den ÖPNV für alle kostenlos zu machen.
1 Kommentar. Leave new
Jede einzelne Straße, die in Heidelberg für Autos zweispurig in eine Richtung fahrbar ist, könntet genauso gut auch einspurig sein und einem sicheren Radweg weichen. Der ÖPNV ist ohnehin bereits baulich getrennt. Warum passiert das nicht, denn die Radwege auf der Berliner Straße oder der Kurfürstenanlage sind unter aller Sau, um es Mal deutlich zu sagen. Der Landkreis ist auf der B37 zwischen dem Karlstor und Neckargemünd mit hervorragendem Beispiel voran gegangen, dem die Stadt unbedingt folgen muss. Leider ist das wohl noch nicht in der Stadt angekommen. Es war ja auch zu viel verlangt in der Planung der modernen Bahnstadt sinnvolle Fahrradwege zu bedenken, die alle Verkehrsachsen abdecken. Will man vom Bahndamm nach Neuenheim fahren, muss man hoffen, dass man nicht überfahren wurde bevor man ankommt (Gerne Mal selbst ausprobieren). Das ist das Gegenteil von fahrradfreundlich! Die Plöck als einzige Fahrradstraße, die eine sinnvolle Nutzung darstellt ist auch mangelhaft…
Bordsteine sind übrigens auch gefahrlich und sind in Deutschland allein auf Autos ausgelegt. Für Fahrräder dürften diese nämlich am besten gar nicht existieren, genauso wenig wie die tollen Baumwurzeln auf den Radwegen der Kurfürstenanlage oder der Berliner Straße.
Es ist somit verdammt viel nötig und der Heidelberger Radinfrastruktur ist nicht allein durch Radgaragen geholfen. Es müssen ernsthafte bauliche Maßnahmen getroffen werden. Das erwarte ich und vermutlich auch viele weitere Heidelberger von einer grünen Oberbürgermeisterin!