Transparenz: Mein Schreiben zum Kandidat-O-Mat

#OB-Wahl

Am 2. August hat die Landeszentrale für politische Bildung allen Kandidierenden 81 Thesen zum Kandidat-O-Mat zugesandt und damit verbunden allen Kandidierenden das Angebot gemacht, inhaltliche Mängel und Kritik zu den Thesen zurückzumelden. Dieses Angebot zu Feedback habe ich – nach Sichtung aller Thesen – am 23. August per E-Mail wahrgenommen. Gerne veröffentliche ich aus Transparenzgründen untenstehend meine E-Mail vom 23. August an die Landeszentrale für politische Bildung.

Mittlerweile hat die Landeszentrale für politische Bildung öffentlich zur Erstellung des Kandidat-O-Mats zur Heidelberger OB-Wahl Stellung bezogen. Die Stellungnahme finden Sie hier: https://www.lpb-bw.de/fileadmin/lpb_hauptportal/aktuell_dossiers/Heidelberg_OB-Wahl/Stellungnahme_Offener_Brief_LpB_12-09-2022_final.pdf.

Meine E-Mail an die Landeszentrale für politische Bildung vom 23. August im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Thelen, sehr geehrte Frau Bossert, sehr geehrter Herr Müller,

wie wir Ihnen bereits am 26. Juli geschrieben haben, begrüßen wir, dass Sie gemeinsam mit dem SWR und der RNZ einen „Kandidat-O-Mat“ als ein partizipatives Mitmach-Angebot und Instrument der Meinungsbildung für die OB-Wahl in Heidelberg entwickeln. Zwar haben wir Ihnen schon im Juli eine kritische Rückmeldung gegeben zur Auswahl der Jugendlichen, mit deren Hilfe Sie die Positionen zur Befragung zusammengestellt haben (es saßen Vertreter*innen einiger politischer Jugendorganisationen am Tisch, die ja gerade nicht den „normalen“ Jugendlichen abbilden, sondern eher Parteihaltungen repräsentieren). Dennoch halten wir es im Grundsatz für eine gute Möglichkeit, mit einem solchen Tool das kommunalpolitische Interesse an der OB-Wahl zu steigern und besonders junge Menschen damit abzuholen.

Gerade weil viele Menschen den Kandidat-O-Mat als Entscheidungshilfe nutzen werden, ist es unerlässlich, dass dieser sorgfältig und korrekt umgesetzt wird. Sie haben uns nun 81 Aussagen zugeschickt, zu denen jede*r Kandidat*in ihre/seine Position mit Ja/Nein/Enthaltung angeben soll. Zusätzlich darf man eine Begründung angeben mit maximal 300 Zeichen. Sie haben uns eingeladen, darüber hinaus optional Anmerkungen und Feedback zu den einzelnen Aussagen zurückzumelden. Diese erfreuliche Möglichkeit nehmen wir hiermit gerne wahr. Wir bitten Sie, diese Rückmeldung konstruktiv zu verstehen als Anregung, die Thesen nochmals einem kritischen Check zu unterziehen und ggf. zu präzisieren.

Bei einer ersten Sichtung der 81 Aussagen sind wir über zahlreiche Formulierungen gestolpert. Rund 30 dieser Sätze beziehen sich entweder auf bereits geltende Beschlusslagen des Heidelberger Gemeinderates oder es besteht für entsprechende Forderungen keine Rechtsgrundlage oder keine kommunale Zuständigkeit. Zum Teil empfinden wir sie auch als populistisch formuliert, insbesondere wenn Scheinalternativen in den Raum gestellt werden, die es so real nicht gibt.

Wir haben in der Zeitung gelesen, dass der Kandidat-O-Mat in Tübingen aus ganz ähnlichen Gründen in der vergangenen Woche von der Landeszentrale für politische Bildung abgesagt wurde, weil die Direktoren zum Schluss gekommen seien, dass die nötige vollständige und gründliche Überarbeitung in der vorhandenen Zeit dort nicht leistbar gewesen sei. Der Fragebogen für die kommende OB-Wahl in Heidelberg sei nicht betroffen: „Der ist gut formuliert und sachorientiert“, so wird Frau Thelen im Schwäbischen Tagblatt (19.08.) zitiert.

Wir sehen allerdings auch beim Kandidat-O-Mat in Heidelberg etliche Schwachstellen und dringenden Überarbeitungsbedarf. Wenn über ein Drittel der Aussagen entweder nicht zutreffen oder so gestellt sind, dass diese nicht seriös mit Ja/Nein/Neutral bewertet werden können ohne Differenzierungen und Einschränkungen vorzunehmen. Auch eine Begründungsmöglichkeit von bis zu 300 Zeichen hilft in solchen Fällen nicht wirklich weiter, wenn die Kommune beispielsweise gar nicht zuständig ist. Gegen eine möglichst einfache und zugespitzte Benennung kommunalpolitischer Ziele ist an sich nichts einzuwenden, aber gegen eine unzutreffende oder gar populistische Darstellung eben schon. So schreiben Sie selbst auf Ihrer Webseite: „Populismus verkürzt, dramatisiert und emotionalisiert bewusst komplizierte gesellschaftliche Fragen und behauptet, dass die Lösung dieser Fragen im Grunde ganz einfach wäre.“ (vgl. https://www.lpb-bw.de/populismus#c69046)

Beispielhaft möchten wir an dieser Stelle ein paar der vorgelegten Aussagen herausgreifen, um zu erläutern, was wir damit meinen. Im Anhang haben wir die komplette Liste mit den 81 Aussagen angefügt und kommentiert, warum wir um Überprüfung an dieser Stelle bitten (grau markiert).

Hier ein paar Beispiele:

„Die Stadt soll E-Roller im gesamten Stadtgebiet verbieten.“

# Das kann die Stadt aber nicht, die gesetzliche Lage erlaubt das in dieser Pauschalität nicht. Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundes vom 15.6.2019 erlaubt elektrische Tretroller im Straßenverkehr. Eine Rechtsgrundlage für ein kommunales Verbot ist nicht gegeben.

„Die Stadt soll eine kommunale Steuer auf den Verbrauch von Einwegverpackungen im Stadtgebiet einführen.“

# Das kann die Stadt nicht entscheiden. Siehe aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Mannheim: Eine solche Regelung verstößt gegen das Abfallrecht des Bundes; kommunale Zusatzregelungen nicht erlaubt.

„Der Stadt soll den Kauf von Wasserstoff- und E-Autos nicht mehr fördern.“

# Das stellt den aktuellen Sachverhalt in Heidelberg teilweise nicht richtig dar. Die Stadt fördert den Kauf von E-Autos nicht mehr.

„Der Strom der Stadtwerke soll eher günstig als klimaneutral sein.“

# Das ist ein Scheingegensatz, der keine seriöse Positionierung zulässt.

„Die Stadt soll der Universität die Ausbreitung auch auf landwirtschaftliche Flächen ermöglichen.“

# Es gibt eine aktuelle Beschlusslage des Gemeinderates zum Masterplan Im Neuenheimer Feld, die genau dieses ausschließt. Andere Flächen sind nicht in der Debatte und werden von niemanden gefordert.

„Der:die OB setzt die Entscheidungen des Gemeinderats um, anstatt diese mitzugestalten.“

# In der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg ist das klar geregelt (§ 43 und § 44). Dies zu ändern ist nicht in kommunaler Zuständigkeit. Es ist fragwürdig, bei einer OB-Wahl-Entscheidungshilfe auf Anliegen zu fokussieren, für die andere Politikebenen zuständig sind.

Damit kein Missverständnis entsteht: Wir wollen den Kandidat-O-Mat nicht gecancelt sehen. Wir wollen, dass er zum Einsatz gebracht wird. Und wir wollen mit einem guten politischen Gewissen dabei sein. Zum Glück ist ja in Bezug auf die Wahlen in Heidelberg noch mehr Zeit als in Tübingen, so dass gegebenenfalls nachgesteuert werden kann. Wir bitten daher Sie und Ihre Projektpartner diese kritische Durchsicht vorzunehmen, damit die interessierte Öffentlichkeit den Kandidat-O-Mat als echte Entscheidungshilfe nutzen kann und die Kandidierenden nicht zu Aussagen gedrängt werden, die sachlich keinen Bestand haben.

Mit freundlichen Grüßen

Theresia Bauer                       Moritz Damm

OB-Kandidatin                        Kreisgeschäftsführer

 

In der Mail vom 23. August wird eine Mail vom 26. Juli erwähnt. Diese wurde vom Grünen Kreisgeschäftsführer, Moritz Damm, in Rücksprache mit mir formuliert.

Die Mail vom 26. Juli im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Bossert, sehr geehrter Herr Müller,

es freut mich, dass Sie gemeinsam mit dem SWR und der RNZ einen Kandidat-O-Mat für die OB-Wahl in Heidelberg entwickeln. Der heutige Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung (26. Juli 2022) auf Seite 6 hat mich allerdings irritiert.

Hier wird Jura-Student Erich Kaiser als Teil des Redaktionsteams zitiert. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass Erich Kaiser Kreisvorsitzender der Jungen Union Heidelberg ist. Auf dem Foto ist zudem Florian Ratzel zu sehen. Er ist stv. Kreisvorsitzender für Programmatik der Jungen Liberalen in Heidelberg. Das wirft für mich ein paar Fragen auf: Ich frage mich, wie eine unabhängige und neutrale Entscheidungshilfe für die OB-Wahl entstehen kann, wenn daran offensichtlich Parteifunktionäre aktiv mitwirken? Wie wird gewährleistet, dass bei der Entwicklung des Kandidat-O-Mat keine Einflussnahme durch Parteien vonstatten geht?

Ich freue mich über Ihre Rückmeldung.

Viele Grüße

Moritz Damm (Kreisgeschäftsführer Bündnis 90 / Die Grünen Heidelberg)

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