Am vergangenen Dienstag hat meine dritte Dialogveranstaltung zum Thema „Freiräume in Heidelberg“ in der Kleinen Freiheit stattgefunden. Ich selbst habe einen Impulsvortrag beigesteuert, aber dann kamen vor allem meine Podiumsgäste zur Sprache, die vom ungehobenen Potenzial Heidelbergs erzählt haben.
Eine Zusammenfassung:
Sarah Eckert machte deutlich, dass 39% der Heidelberger*innen unter 30 Jahre sind. Schon allein deshalb sei es wichtig, dass in unserer Stadt konsequent Politik für junge Menschen gemacht werde.
Sie betonte insbesondere die Rolle des öffentlichen Raums als Aufenthaltsort für junge Menschen. Es brauche mehr Orte, an denen man sich draußen treffen könne, ohne dazu gezwungen sein, z.B. Getränke zu konsumieren und Geld auszugeben.
Konkret forderte sie mehr „Neckarwiesen“ – also öffentliche Grünflächen, die einfach genutzt werden können, an denen Sanitäranlagen vorhanden sind und auf denen es zum Beispiel möglich ist, auch spontan zu grillen. Da viele Studierende über keinen eigenen Garten verfügen, seien sie darauf angewiesen, solche Aufenthaltsmöglichkeiten im öffentlichen Raum zu erhalten.
Als weiteren Aspekt wies sie auf die Möglichkeit hin, Sportanlagen nutzen zu können, ohne zwingend Mitglied in einem Sportverein sein zu müssen. Mitgliedsbeiträge für Sportvereine seien für Studierende ein relevanter finanzieller Faktor. Z.B. Brauche es mehr Basketball- und Volleyball-Plätze, die im öffentlichen Raum zur niedrigschwelligen Nutzung zur Verfügung stehen.
Schließlich verwies sie auch auf die Bedeutung einer attraktiven und abwechslungsreichen Gestaltung öffentlicher Plätze. Einfach nur gepflasterte Oberflächen mit ein paar Bäumen seien zu wenig, um für Aufenthaltsqualität zu sorgen. Aber schon einfache Maßnahmen wie z.B. Paletten-Möbel könnten Plätze aufwerten und ihnen einen individuellen Charakter verleihen.
Peter Abelmann berichtete, dass in der Arbeit der Studierendenvertretung die Nachfrage nach Räumen für unterschiedliche Nutzungen eine sehr große Rolle spielt. Zwar verfüge die Studierendenschaft über Räume, die sie für Vernetzung studentischer Gruppen, Kulturarbeit oder hochschulpolitisches Engagement zur Verfügung stellen könne, die Nachfrage könne aber nicht befriedigt werden.
Gleichzeitig zeigte er sich überzeugt, dass das Interesse der Studierenden an der Stadt und ihren Angeboten deutlich größer sei, als dies häufig angenommen werde. Ein gutes Beispiel dafür sei die von der Studierendenvertretung initiierte „Theaterflatrate“ über die über 12.000 Theaterkarten verkauft werden konnten. Das zeige: Studierende leben keineswegs nur in ihrer studentischen Blase, sondern wollen Teil des kulturellen Lebens in unserer Stadt sein.
Die Möglichkeit, sich zu vernetzen und eigene Orte zu haben, um Ideen zu realisieren, auszuprobieren und damit auch mal scheitern zu dürfen, sei dabei nicht nur ein Faktor von Lebensqualität in der als Studienort gewählten Stadt, sondern auch ein Standortfaktor: entsprechende Erfahrungen machen zu können sei auch die Voraussetzung, um z.B. Karrierewege im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft in Erwägung zu ziehen. Aus Gesprächen wisse er, dass Heidelberg von vielen Studierende mit entsprechenden Interessen als nicht attraktiv genug erlebt werde.
Er machte außerdem deutlich, dass ein deutlicher Verbesserungsbedarf besteht, was den Austausch zwischen Stadt und Studierendenvertretung angeht. Trotz der besonderen Rolle als gewählter Vertretung einer großen Bevölkerungsgruppe sei es für die studentischen Gremien nicht leicht, über gemeinsame Themen mit Stadtverwaltung und Gemeinderat ins Gespräch zu kommen. Ein besseres Miteinander zwischen Stadt und Studierenden und mehr Offenheit für die Initiative von Studierenden in städtischen Strukturen formulierte er daher als wichtigste Erwartung an eine künftige Stadtspitze.
Sofia Leser benannte zwei Haupthemmnisse für die Entfaltung kreativer Potentiale in Heidelberg: Mangel an bespielbaren Räumen und Bürokratie. Am Beispiel der von ihr gegründeten Anlage für kulturelle Zwecke „Paradoxon“ machte sie deutlich, wieviel Energie kreative Menschen aufbringen müssen, um Regeln zu befolgen und bürokratische Erwartungen zu erfüllen – Energie und Zeit, die für die künstlerische Entfaltung dann nicht mehr zur Verfügung steht.
Als Beispiel für einen nicht erfüllten Bedarf verwies sie auf die große Nachfrage nach Räumen, in denen Künstler*innen ihre Werke ausstellen können. Gerade bevor sich erste kommerzielle Erfolge einstellen, seien Künstler*innen darauf angewiesen, nahezu kostenfrei ausstellen zu können – schon die Mieten im Dezernat 16 seien in dieser Phase des künstlerischen Schaffens nicht zu stemmen. Es brauche daher nicht-kommerzielle Kreativräume – sowohl zum Arbeiten als auch zum Zeigen der Ergebnisse.
In besonderer Weise hob sie den von Theresia Bauer gemachten Vorschlag eines Kreativquartiers auf dem Airfield hervor. Sie betonte, dass ein genau solcher Ort in Heidelberg dringend gebraucht werde – und zwar nicht nur für vereinzelte Termine oder ein einmal im Jahr stattfindendes Festival, sondern als feste Institution, wo Künstler*innen, Party-Kollektive und andere Kreative eine dauerhafte Heimat finden, wo aber genauso auch Urban Gardening oder ein Skatepark Platz finden könnten. Nun gelte es, über diese Vision nicht nur zu reden, sondern sie wirklich in die Umsetzung zu bringen.
Als wichtigste Ressource für das Entstehen kreativer Projekte und innovativer Ideen bezeichnete sie Vertrauen. Eine Haltung des Vertrauens, die Politik und Stadtverwaltung kreativen Impulsgeber*innen entgegenbringen müsse, sei die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Neues entstehe – diese Haltung erwarte sie in Zukunft auch von der Stadtspitze.
Jasper Schmidt betonte, dass Heidelberg ein wichtiges Kriterium erfüllt, um innovative Projekte zu realisieren: es ist groß genug, um Raum für Ideen zu bieten, dabei aber noch klein genug, dass Menschen, die etwas auf die Beine stellen wollen, von Aktivist*in bis Verwaltungsspitze, alle persönlich kennen können. Heidelberg habe somit eine optimale Größe.
Gerade wenn dieses Kriterium erfüllt ist, sei aber die wichtigste Gestaltungsaufgabe, Menschen mit Ideen und Menschen mit Ressourcen, die für die Umsetzung von Ideen erforderlich sind, zusammenzubringen und zu vernetzen. Genau dies war auch die Idee, die hinter dem Projekt Raumfänger stand: einerseits Orte zu erschließen und sichtbar zu machen, andererseits an diesen Orten Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen und einzuladen, ihre Ideen einzubringen.
Er verwies insbesondere auf die Unterschiede im Zugang zu Privilegien, die es erleichtern, selbst zu gestalten. Gerade weil kompetenter Umgang mit Behörden und Regeln und auch das nötige Selbstbewusstsein und Beharrlichkeit im Vertreten der eigenen Interessen erforderlich sind, um Projekte zu realisieren, haben es manche Bevölkerungsgruppen dabei schwerer als Andere. Dies im Blick zu haben benannte er als wichtige Aufgabe.
Als Beispiel nannte er Jugendliche, für die es in aller Regel nicht leicht ist, mit ihren Anliegen und Ideen ernstgenommen zu werden und denen von offizielle Stellen meist zwar vordergründiges Wohlwollen, aber wenig Vertrauen entgegen gebracht wird. Der Youth Think Tank sei daher gegründet worden, um junge Menschen zu befähigen, diese Hürden zu überwinden und sich und ihren Interessen Gehör zu verschaffen.
Ein besonderer Nachholbedarf bestehe in Heidelberg dabei, Dialoge zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen zu organisieren und auch diejenigen dabei sichtbar zu machen, die sich schwer damit tun, sich Freiräume zu erkämpfen. Davon brauche es mehr – am besten nicht nur dann, wenn gerade eine Wahl ansteht.