Letzte Woche hat meine erste Dialogveranstaltung zum Thema „Wohnen in Heidelberg“ stattgefunden. Dabei kamen neben meinem eigenen Input vor allem auch die eingeladenen Gäste auf dem Podium zur Sprache, die über die verschiedensten Facetten dieser hochrelevanten Problematik berichtet haben.
Eine Zusammenfassung:
Leander von Detten hob hervor, dass zusätzlich zu den von Theresia Bauer genannten Punkten städtische Aktivitäten erforderlich wären, um vorhandene Kapazitäten besser zu nutzen. Viele Häuser und große Wohnungen in Heidelberg werden von nur ein oder zwei Personen bewohnt – oder stehen sogar leer. Diesen eigentlich freien Wohnraum zu mobilisieren ist eine wichtige Aufgabe.
In Bezug auf die leerstehenden Gebäude in PHV und die Chance, diese schnell zumindest in eine Zwischennutzung zu bringen, verwies er auf die Notwendigkeit, dann auch eine Infrastruktur, z.B. eine regelmäßig verkehrende Buslinie zur Anbindung an die Innenstadt dafür zur Verfügung zu stellen.
Verkehrliche Anbindung und Zugang zu öffentlichem Leben auch im Stadtteil sind seiner Ansicht nach auch wichtige Gründe, dafür dass manche Heidelberger Stadtteile trotz der insgesamt so immensen Wohnungsnachfrage unbeliebt sind. Um auch hier bestehenden Leerstand in die Nutzung zu bringen, wäre es nötig, ÖPNV-Takte und Radwegeverbindungen z.B. in Richtung Boxberg und Emmertsgrund zu verbessern und die Stadteilzentren aufzuwerten.
Als Mitglied des Collegium Academicum machte er deutlich, welches individuelle Engagement erforderlich ist, um solidarische Wohnprojekte auf die Beine zu stellen. Er erläuterte, dass die IBA einen wichtigen Beitrag bei der Entwicklung des Collegium Academicum gespielt hat und bekräftigte, dass wie von Theresia Bauer vorgeschlagen Unterstützungsstrukturen für Baugruppen und Wohnprojekte aufgebaut werden sollten, die auch nach Ende der IBA mithelfen, innovative und gemeinwohlorientierte Projekte voranzubringen. Als Beispiel nannte er einen Vorrang für Wohnprojekte bei der Vergabe von Flächen.
Lothar Binding bestätigte die These, dass es durch die schiere Menge gebauten Wohnraums in den letzten Jahren nicht gelungen ist, gesellschaftliche Ziele, z.B. was den Anteil bezahlbarer Wohnungen angeht, zu erreichen. Als wichtigen Hebel für Veränderung nannte er den Vollzug bestehender Gesetze, z.B. die Mietpreisbremse.
Darüber hinaus bedürfe es aber auch einer kommunalen Ordnungspolitik, die so eingreift, dass gesellschaftliche Ziele besser erreicht werden als durch das Wirken des Marktes allein. Insbesondere mahnte er eine Leerstandspolitik an, die Leerstände nicht einfach hinnimmt, sondern von Immobilieneigentümer*innen einfordert, ihren Wohnraum auch zur Verfügung zu stellen. Auch Baugebote als Mittel brachliegende innerstädtische Flächen zu aktivieren, schloss er nicht aus, betonte jedoch, dass damit häufig ein schwieriger und langwieriger Prozess einhergeht. Oft sei daher auch schlicht Überzeugungsarbeit zu leisten.
Ein wichtiger Hebel besteht seiner Ansicht nach darin, den Anteil der Wohnungen im Besitz der Baugenossenschaften zu erhöhen – dieser sei im Vergleich zu anderen Städten zu niedrig und gerade die Baugenossenschaften können als wichtige Akteure einer gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik einen Beitrag dazu leisten, beim Wohnungsbau gesellschaftliche Ziele zu erreichen.
Ein weiterer Baustein solle eine aktive städtische Bodenpolitik sein, also das vermehrte Ankaufen von Grundstücken und Vermarkten in eigener Regie. Dies sei auch mit der Haushaltspolitik vereinbar, weil zwar Geld investiert werde, aber dafür mit den Grundstücken ja auch Werte ins städtische Vermögen aufgenommen werden.
Er betonte, dass bei der Wohnungspolitik auch die regionale Perspektive eine wichtige Rolle spielt und die interkommunale Abstimmung mit den Nachbargemeinden zur Entwicklung von Wohnen, Gewerbe und dem richtigen Verhältnis zwischen beidem dringend gestärkt werden sollte.
Zum Abschluss plädierte Lothar Binding für eine größere Offenheit gegenüber außergewöhnlichen Ideen jenseits gängiger Standards und nannte als Beispiel die Idee eines Demenzdorfes als Einrichtung für bis zu 100 Menschen, die gut in einen Stadtteil wie PHV integriert werden könnte.
Peter Stammer zeigte am Beispiel der Genossenschaft Familienheim, welchen großen Beitrag Genossenschaft tatsächlich leisten: mit einer durchschnittlichen Miete von 7,50 €, einem hohen Anteil barrierefreier Wohnungen und 50%iger Belegung der Dachflächen mit Photovoltaik spielen gesellschaftliche Ziele wie bezahlbarer Wohnraum, Wohnen für unterschiedliche Bedürfnisse und Klimaschutz eine wichtige Rolle in der Geschäftspolitik der Genossenschaft.
Er machte aber auch deutlich, dass die aktuellen Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft es den Genossenschaften als gemeinwohlorientierte Unternehmen sehr schwer machen, auch künftig diesen Ansprüchen im Neubau gerecht zu werden. Die Vergabe von Grundstücken im Bieterverfahren, langwierige Genehmigungsprozesse, massiv steigende Bau- und Materialkosten, fehlende Kapazitäten bei Handwerksbetrieben, hohe Inflation, steigende Zinsen – all diese Probleme machen der Wohnungswirtschaft enorm zu schaffen. Hinzu kommt in Heidelberg, dass die Genossenschaften seitens der Stadt nur wenig Beachtung finden: seit Herr Stammer 1998 bei der Familienheim begonnen hat, hat sie für kein einziges städtisches Grundstück den Zuschlag erhalten. Aber auch die Bundespolitik hat im Januar mit der Ankündigung des Wegfalls der KfW-Förderung für zusätzliche Unsicherheit gesorgt, die seitens des Landes zumindest teilweise aufgefangen wurde.
Er verwies darauf, dass die von Theresia Bauer angeregte Mobilisierung von Baulücken zwar prinzipiell sinnvoll sei, dass aber Nachverdichtung häufig politische Debatten auslöst, die für Bauträger erneut zusätzlichen Aufwand hervorrufen – gerade wenn sie wie die Familienheim den Dialog mit der Nachbarschaft suchen.
Er plädierte dafür, bei den ökologischen Vorgaben für das Bauen von starren Vorschriften für die Stärke der Dämmung Abstand zu nehmen. Stattdessen solle auf Vorgaben zum CO2-Ausstoß gesetzt und den Bauträgern selbst überlassen werden, wie sie diese erreichen. Gerade die Wohnungen in der Bahnstadt zeigen, dass die eingesparten Heizkosten häufig durch die höheren Betriebskosten der Häuser im Passivhausstandard aufgefressen werden, so dass für Mieter*innen kein finanzieller Vorteil entsteht.
Abschließend pflichtete Herr Stammer Theresia Bauer bei, dass die gigantische Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum nicht nachlassen wird und durch ein immer mehr Bauen nicht zu befriedigen sein wird – gerade vor dem Hintergrund, dass die aktuellen Rahmenbedingungen für das Bauen mit Gemeinwohl-Anspruch so schlecht sind, dass die Familienheim selbst keine Neubau-Projekte mehr plant. Viel Potential bestehe dagegen in einer Sanierung mit Augenmaß, die bestehende Altbauten z.B. in PHV schnell nutzbar machen könnte – ökologisch sinnvoll und zu fairen Preisen.
Sebastian Erhard verstärkte noch einmal, dass die Realisierung eines Wohnprojekts alles andere als leicht ist – vor allem, wenn dabei Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen partizipieren sollen.
Je nachdem, wie groß die öffentliche Unterstützung ist und wie sehr die städtische Infrastruktur darauf ausgerichtet ist, Wohnprojekte zu begleiten, gelingt die Umsetzung eigentlich nur durch jahrelange Selbstausbeutung der beteiligten Akteure.
Er schilderte, dass die wichtigste Unterstützungsstruktur in Heidelberg die bereits bestehenden Projekte und die Zusammenarbeit im Rahmen von hd_vernetzt ist, während die Beratungsleistung der Stadt marginal sei. Denn leider steht dafür in Heidelberg nur eine halbe Stelle zur Verfügung, die zwar sehr hilfreich sei, aber eben nicht ausreichend, um in der benötigten Intensität zu begleiten. Auch die dreimal jährlich stattfindenden Info-Abende für Wohnprojekte können nur realisiert werden, indem hd_vernetzt dabei eine sehr aktive Rolle einnimmt.
Neben der eigentlichen Beratungsleistung regte er aber auch an, dass Thema Baugruppen- und Wohnprojektförderung in allen beteiligten Ämtern zu etablieren. Überall da, wo Verwaltung und Projektgruppen aufeinandertreffen, braucht es seiner Ansicht nach feste Ansprechpartner*innen in der Verwaltung, die die besonderen Anforderungen der Baugruppen verstehen und gut verarbeiten können. Die Koordination dieser Tätigkeiten könne dann über eine übergeordnete Stelle beim Stadtentwicklungsamt laufen.
Schließlich erwartet er von der Stadt auch eine politische Einflussnahme auf übergeordnete Ebenen, was die Ausgestaltung von Förderrichtlinien angeht. Diese sollten stärker als bisher Baugruppen und Wohnprojekte priorisieren und diesen den Zugang zu Fördermitteln erleichtern.